Iggy Pop

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Wütender Haudegen

Sicherlich, die Live-Auftritte des mittlerweile 52-jährigen sind so legendär, dass es beinahe schon zum guten Ton gehört, ihn wenigstens einmal selbst live erlebt zu haben, manchmal anscheinend sogar völlig ungeachtet der Tatsache ob man seine Musik nun mag oder nicht.

Diesen Eindruck konnte man jedenfalls gewinnen, wenn man sich am Montag in der längst ausverkauften Halle so umsah. Die viel beschimpfte Hamburger Steifnackigkeit kombinierte sich hier auf erschreckende Weise mit abgeklärter Konsumhaltung und schaffte es im nullkommanichts, die Rock’n’ Roll – Legende richtig wütend zu machen. Dabei hatte alles doch so vielversprechend begonnen: Nach der melancholischen Eröffnung auf Knien und akustischer Gitarre gab es Stagediving des Stars schon beim vierten Lied. Nicht einmal der 1,5 m breite Bühnengraben schreckte den Schwerenöter. Doch dabei blieb es, wohl durch die Zurückhaltung der Besucher.

Iggy ist furiose Stimmung gewöhnt. Wer sich in der ersten Reihe freie Sicht auf den gegerbten, bekrampfaderten, vernarbten Oberkörper der alten Lederhaut versprochen hatte, ohne ein Fünkchen guter Stimmung zu verbreiten, bekam sein Fett weg. In, durch das Mikro für alle hörbaren, Schimpftiraden rückte er gleich zwei Anwesenden persönlich den trübsinnigen Kopf zurecht, wobei “Bitch” noch das höflichste Wort war, das er gebrauchte, äffte er nach und gab schließlich auf.

Nach nur 45 Minuten verschwand Iggy das erste Mal von der Bühne. “You’ve had your chance!”. Das mochte das Publikum doch nicht so auf sich sitzen lassen, schließlich waren ja auch ein Paar echte Fans anwesend, die in den ersten fünf Reihen von nun an entschlossen Party machten. Doch es half nur wenig. Ein entäuschter Punk-Haudegen steht vor uns. Vereinzelte Fans schaffen es, sich von der Menge über deren Köpfe hinweg zur Bühne tragen zu lassen. Entschlossen nimmt Iggy diese Trostversuche an, lässt die Leute mit auf die Bühne und fordert noch mehr zu kommen auf. Die Ordner sind verzweifelt doch angesichts der viel längeren Bühne geben sie sich geschlagen.

Zu Iggys Passenger ist die Bühne gerammelt voll mit tanzenden Menschen. Pop genießt die Nähe der Fans, die ihn natürlich alle anfassen wollen. Für einen Moment ist er für die Distanz, die ihm ansonsten vom Publikum entgegenschlägt, entschädigt. Es hätte doch so schön sein können: Alle Hits, wohlgarniert mit ein, zwei neuen nicht so lauten Songs, guter Sound, gute Show. Aber Iggy lässt sich nicht verkonsumieren und geht nach nur 80 Minuten von der Bühne, ohne sich noch ein einziges Mal zu zeigen. Schade, dass es keine Sitzplätze gab, sagen die einen; Schade, er hatte sein Geld noch nicht abgesungen die anderen…

erschienen in: Access All Areas 1/2000, Seite 68

 

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