Lauryn Hills erster Hit, der Stimme und Gesicht der 23 jährigen weltberühmt machte, hieß “Killing me softly”. Damals kannte man allerdings nur den Namen ihrer Band, The Fugees. Mit Veröffentlichung ihres Soloalbums “The Miseducation of Lauryn Hill” wurde die junge Frau aus New Jersey endlich selbst zum Superstar. Fünf Grammys, die Oskars der Musikbranche, bekam sie für ihr Werk. Sieben Millionen mal wurde die Platte verkauft. Cher und Madonna, die bislang amtierende Pop-Prinzessinnen, wurden im Handumdrehen von ihr, einem quitschfidel hip-hopenden Küken, enthront. Aber diese Betrachtungsweise wird Lauryn nicht gerecht. Trotz ihres jungen Alters ist sie nicht nur Sängerin, sondern auch Musikerin, Produzentin, Komponistin, Schauspielerin und Mutter zugleich.
3000 Menschen waren im Hamburger Stadtpark erschienen, um dieses Multitalent einmal live zu sehen. Der Weg hat sich gelohnt. Wie ein menschgewordener Flummi sprang die schwarze Künstlerin über die Bühne. Hinter ihr hatte sich ein bummeliges Duzent Musiker zur Begleitung eingefunden. Die Anwesenheit eines Djs auf einem Hip Hop-Live-Konzert verwundert weniger als die Präsenz von Bläsern und Backgroundsängerinnen, die soundtechnisch allesamt eher dem Soulmilieu als dem Rap zugeordnet werden könnten. Aber das ist genau einer der Gründe für Lauryn Hills Erfolg. Mit ihrer Stimme kann sie Leute vor Glück zum Weinen bringen und verbindet auf ihre einnehmende Weise den Soul mit dem Hip Hop. Denn als eine der wenigen Frauen des Genres kann sie rappen u n d singen. Und so wurden auf der Bühne Klassiker der Musikgeschichte wie “Light my fire” genauso zelebriert wie nachdenklich stimmende eigene Songs wie “To Zion”, das ihrem Sohn gewidmet ist. Freimütig läßt sie uns teilhaben an ihren Zweifeln und Ängsten, die Schwangere wohl immer heimsuchen. Das Ergebnis ihrer Entscheidung bittet sie auf die Bühne. Rohan Marley (ein Sohn der Reggae-Legende Bob Marley, an diesem Abend auch kurz an den Turntables zu sehen) und Zion ihr gemeinsamer Sproß erscheinen.
Lauryn ist nicht leicht verdaulich. Sie glaubt an Gott und macht aus ihrer Spiritualität keinen Hehl. Truth und Honesty, Wahrheit und Ehrlichkeit sind dann auch die beiden meistgebrauchten Worte ihres Albums. Ambivalenterweise jubelt ihr eine Jugend zu, der mangelndes politisches und spirituelles Interesse nachgesagt wird. Dieser Umstand bietet natürlich Raum für Spekulationen. Worauf mag eine solche Entwicklung wohl zurückzuführen sein, auf eine Rückbesinnung auf den Glauben oder mangelnde Fremdsprachenkenntnisse? Wie dem auch sei, Frau Hills Fan-Gemeinde steigt stetig an und bei all dem, was man von ihr sieht und hört, liegt die Vermutung nahe, daß Gott vielleicht ihr größter Fan ist…
erschienen in: kreiszeitung, 21.05.1999
erschienen in: access all areas, 6/99